Chancengleichheit versus Studiengebühren

Veröffentlicht am 29.12.2008 in Schule und Bildung

Bericht von der Podiumsdiskussion der AfB
Die Forderung nach Chancengleichheit durch Bildung ist bis heute nicht erfüllt. Immer noch wird der Bildungserfolg des Einzelnen in unserem Land vor allem von seiner sozialen Herkunft bestimmt. Immer noch beeinflusst das Bildungsniveau der Elternhäuser nicht nur die Leistungen der Schüler, sondern es entscheidet auch darüber, wie diese Leistungen von Lehrern wahrgenommen, beurteilt und prognostiziert werden. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Studierenden bei uns im internationalen Vergleich gering ist und nur relativ langsam zunimmt, wird dem rohstoffarmen Deutschland ein dramatischer Mangel an gut qualifizierten Fachkräften vorhergesagt. Da ist es logisch, dass die alte Forderung nach Chancengleichheit eine neue Bedeutung und breite gesellschaftliche Akzeptanz erhält. Die Initiative der Bundesregierung „Aufstieg durch Bildung“ ist dafür ein aktuelles Beispiel. Wie muss die Erhebung von Studiengebühren in diesem Zusammenhang beurteilt werden?

Am 4.12.08 lud die Arbeitsgemeinschaft für Bildung zusammen mit der Jusohochschulgruppe an der Universität Bonn zur Diskussion „Chancengleichheit versus Studiengebühren“ ein. Auf dem Podium trafen Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des deutschen Studentenwerkes, Berlin, und Prof. Dr. Wolfgang Löwer, Prorektor für Finanzen an der Universität Bonn, zusammen.

Mit zahlreichen statistischen Daten aus der neuesten Sozialerhebung des Studentenwerkes informierte Meyer auf der Heyde über die Lage der Studierenden, ihre finanzielle Situation und ihre Motivation zum Studienbeginn.

Deutlich wurde u.a.:

Als Folge der Selektion in der Schule, erreichen von 100 Schulanfängern 42 den Hochschulzugang, 37 nehmen ein Studium auf. Nur 21 schließen das Studium ab.

Akademikerkinder studieren zu 83%, Nichtakademikerkinder nur zu 23 %.

Der Studienverzicht hat zugenommen - und zwar besonders bei Studienberechtigen aus nichtakademischen Elternhäusern, aus den neuen Bundesländern und bei jungen Frauen. Unter den Gründen spielen die finanziellen Risiken eine wachsende Rolle, bei 26% der Studienberechtigten (6000 – 18000 Personen) waren die Studiengebühren ausschlaggebend.

Prof. Löwer nannte die Situation, dass jemand aus finanziellen Gründen nicht studieren könne, fatal, verwies aber auf die vorhandenen Finanzierungshilfen. „Wer wirklich studieren will, hat in diesem Land die Möglichkeiten dazu.“

Hauptverantwortlich für die Herstellung einer größeren Chancengleichheit ist nach Meinung beider Referenten das Schulsystem.

Aber auch die Universitäten können sich durch intensive, individuelle Beratung der Studierwilligen und Studienanfänger oder die Zulassung nach erfolgreicher Berufsausbildung für StudentInnen aus bildungsferneren Schichten öffnen.
Dass dies möglich ist, beweisen die Fachhochschulen, an denen deutlich mehr StudentInnen aus Elternhäusern mit mittlerem oder niedrigem Bildungsniveau studieren und damit eine Demokratisierung (Meyer auf der Heyde) gelingt.

Aus der Zuhörerschaft meldeten sich zahlreiche kritische Stimmen, die Studiengebühren ablehnten, da sie die ohnehin schwierige Lage bedürftiger Studierenden verschärfen. Eine deutliche Verbesserung der Studienbedingungen sei allein mit Studiengebühren nicht zu erreichen.

Fazit des Abends:
Die Hochschulen leiden unter jahrelanger Unterfinanzierung, daher kommen ihnen Einnahmen aus Studiengebühren entgegen. Die Frage, ob diese Teilprivatisierung gewünscht ist, steht im Raum.
Sicher ist, dass Studiengebühren, wie Studiendarlehen und auch Bafög, Studierende aus finanzschwachen Elternhäusern verschulden und damit höher belasten als ihre vermögenden Kommilitoninnen und Kommilitonen.

Gabriele Klingmüller
Vorsitzende AfB