Es bleibt Stolz

Veröffentlicht am 22.01.2018 in Bundespolitik

Der gestrige Parteitag in Bonn war ein besonderer Parteitag.

Auch, weil wir konzentriert und fair diskutiert und einander aufmerksam zugehört haben. Auch, weil alle Delegierten sich sichtbar ihrer Verantwortung bewusst waren, und auch, weil alle Delegierten sorgsam mit ihrem Mandat umgegangen sind.

Viel mehr aber, weil wir haben erleben dürfen, dass die SPD die linke Zukunftspartei Deutschlands ist. Ja, sie ist es schon. Das haben gerade die jungen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wie Kevin Kühnert und Jessica Rosenthal eindrucksvoll gezeigt. Sie haben auch gezeigt, dass die jungen Leute in der SPD Format und Gewicht haben. Und sie haben schon damit begonnen, die SPD weiterzuentwickeln. Das allein ist schon großartig.

Das Ergebnis ist mit 56,4 % knapp für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ausgegangen. Das zeigt, dass nicht nur die Jusos, sondern viele weitere Delegierte einer Neuauflage der Großen Koalition kritisch gegenüberstehen. Meine Einschätzung ist außerdem, dass von den Befürwortern viele deshalb mit ja gestimmt haben, weil sie den Mitgliederentscheid unterstützen.

Persönlich lehne ich eine Große Koalition aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Eine Große Koalition führt dazu, dass eigentlich unterschiedliche politische Parteien sich mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch tatsächlich inhaltlich, einander angleichen. Dies stärkt die Parteien an den rechten und linken Rändern, wie auch die Wahlergebnisse zeigen. Deshalb soll eine Große Koalition eine Ausnahme bleiben, nicht die Regel.

Dennoch habe ich gründlich abgewogen, wie ich mit meinem Mandat als Delegierte umgehe; denn das Mandat ist ja keine persönliches, sondern eine Entscheidung für die Mitglieder der Bonner SPD, die mich zum Parteitag delegiert haben.

Ich habe nach Veröffentlichung des Sondierungspapiers am 12.1. bis zum Schluss in vielen Gesprächen mit Genossinnen und Genossen in NRW, in Bonn und im Ortsverein diskutiert, vor allem zugehört, gefragt und abgewogen. In vielen E-Mails haben SPD-Mitglieder mir ihre Meinung geschrieben. Es wurde in jeder freien Minute im Job, beim Sport, im Wahlkreis und am Küchentisch über die Frage einer Regierungsbeteiligung der SPD gesprochen.

Ich bin skeptisch, aber ohne Festlegung zum Parteitag gegangen. Auch, weil ich hoffte, dass der neue Leitantrag eine Möglichkeit eröffnet, einer weiteren Verhandlung zuzustimmen, auch weil ich offen die Diskussionsbeiträge der Delegierten und des Parteivorstandes hören wollte.

Am Ende habe ich mit Nein gestimmt.

Nein, weil ich die jungen Leute in der SPD dabei unterstützen will, den ersehnten und dringend notwendigen Politikwechsel einzuleiten und weiterzuführen, nein, weil der ergänzende Leitantrag nicht dazu führt, dass es einen Ausstieg aus Verhandlungen gibt, wenn die zusätzlichen Punkte in Gesprächen mit CDU/CSU nicht erreicht werden, sondern vielmehr der Vertrag den Mitgliedern vorgelegt wird, wenn die Ergebnisse insgesamt aus Sicht der Verhandlungskommission ausreichen, nein, weil es in zwei Monaten fast unmöglich sein wird, der Öffentlichkeit und der Wählerschaft eine Ablehnung der Groko durch die Mitglieder zu vermitteln, auch wenn die Verhandlungsergebnisse nicht ausreichen.

Mein Abstimmungsverhalten repräsentiert viele, aber nicht alle Bonner SPD-Mitglieder. Wir haben gestern nicht gewonnen, aber viel erreicht. Das knappe Ergebnis wird Bewegung in die Koalitionsverhandlungen bringen müssen; und letztlich zu einem besseren Koalitionsvertrag führen.

Was bleibt, ist Stolz; Stolz auf eine SPD, in der es möglich ist, diesen Diskurs zu führen und zu einem Ergebnis zu kommen, das auch bei knapper Mehrheit, jetzt demokratisch mitgetragen wird.

Und ein Appell an uns alle, solidarisch miteinander umzugehen, um über diese Entscheidung nicht einen Teil unserer Mitglieder zu verlieren. Denn dann hätten wir alle nicht gewonnen.